Freitag, 14. November 2014

Wir jagen die, die uns jagen

Diesmal eine Fanfiction und zwar von Teenwolf.

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Ich atme einmal tief durch und dann noch einmal. Und noch einmal. Langsam sollte ich mich wirklich bewegen. Aber es geht einfach nicht.
Sie haben mir gesagt, es würde einfach sein, ich würde mich dabei nicht schlecht fühlen und das müsse ich auch gar nicht, schließlich würde ich ein Monster töten und keinen Menschen.
Doch auch ein Monster hat Familie und Freunde. Und wenn es Freunde hat, dann kann es doch gar kein Monster sein, oder? Monster werden von allem gehasst außer von anderen Monstern und da ich mein Zielobjekt eine Zeit lang beobachtet habe, weiß ich inzwischen, dass seine Freunde das nicht sind. Es sind gute Menschen. Sie helfen sogar in einer Suppenküche.
Also, was für ein Monster kann mein Zielobjekt dann schon sein?
Ich wurde gewarnt, dass das mit mir passieren könnte, dass ich Schuldgefühle bekommen könnte, noch ehe ich das getan habe, was nötig ist. Ich solle nicht lange darüber nachdenken, sondern es einfach tun. Aber ich kann nicht. So bin ich einfach nicht. Ich kann niemanden töten, der unschuldig ist, der noch nie jemanden getötet hat, obwohl er durch einen Biss in ein Monster verwandelt wurde.
„Wir jagen die, die uns jagen.“ Das ist unser Kodex. Wir beschützen die Menschen vor Dingen, die ihr Verstand nicht bereit zu akzeptieren ist. Das Übernatürliche existiert überall auf dieser Welt, doch nur wenige können es erkennen und noch weniger glauben, was sie sehen.
Doch dieser 17-jährige Junge jagt keine Menschen, er jagt nicht einmal Wild. Er lebt einfach nur vor sich hin, so wie jeder normale Teenager in seinem Alter. Doch er ist nicht normal. Und spätestens heute Nacht wird sich das zeigen, denn es ist Vollmond.
Und bei Vollmond werden sie alle zu Jägern, zu den Raubtieren, die sie in Wahrheit sind. Bei Vollmond fällt es ihnen schwer sich zu beherrschen und nur viel Übung und ein hohes Maß an Konzentration hält sie unter Kontrolle. Und das auch nur, wenn jemand bei ihnen ist, der es ihnen beibringen kann. Doch das hat dieser Junge nicht, er ist auf sich allein gestellt in seiner neuen Welt. Erst letzten Monat wurde er verwandelt, dies ist also sein erster Vollmond, seit er ein Werwolf ist. Der erste ist immer der schlimmste, so steht es zumindest in unseren Büchern.
Automatisch frage ich mich, ob der Junge Angst hat. Nein, das Monster. Ich soll ihn nicht zu einer Person machen, sonst kann ich ihn nicht töten, sagen sie.
Er muss gemerkt haben, wie er sich verändert, wie seine Sinne schärfer werden, wie die Tiere beginnen, Angst vor ihm zu haben. Auch seine Klauen, Fangzähne und glühenden Augen können ihm nicht verborgen geblieben sein. Er muss fürchterliche Angst haben, er kann ja gar nicht wissen, was mit ihm passiert.
Wieso hat ihn der, der ihn verwandelt hat, einfach allein gelassen? Er hat doch die Verantwortung für ihn, er muss auf ihn aufpassen.
Ich schlucke. Vielleicht tut er ja genau das. Vielleicht weiß er, dass ich hier bin, um seinen Beta zu töten und wartet nur darauf, dass ich mich zeige. Ich muss vorsichtig sein.
Langsam gehe ich auf das Haus zu und schaue zu seinem Zimmer hinauf. Der Junge heißt Marc. Werden seine Eltern und Freunde jemals erfahren, was mit ihm geschehen ist? Wie würde ich mich fühlen, als Mutter, die ihr Kind verloren hat?
Ich senke den Blick. Ich kann das nicht... Aber wenn ich es nicht tue, dann wird er töten und das darf ich nicht zulassen.
Die Werwolfpopulation hat in dieser Gegend stark zugenommen in den letzten Monaten, der Rest meiner Familie ist ebenfalls auf der Jagd. Mir haben sie das einfachste Ziel überlassen, den jungen Beta, vor dessen Haus ich gerade stehe. Er weiß noch nicht wie er sich verteidigen und auch nicht wie er sich kontrollieren kann. Ich sollte ihn schnell töten und zwar bevor er sich verwandelt. Denn dann wird er nur noch einen Gedanken kennen: Töten.
Ich schaue zum Himmel, kann bereits den Mond erkennen. Gleich wird es losgehen.
Direkt neben seinem Fenster verläuft eine Regenrinne entlang, an dieser halte ich mich nun fest und klettere hoch, ziehe mich dann auf sein Fensterbrett.
Zwei erschrockene Augen starren mich an. Ich lege den Finger auf die Lippen und bedeute dem Jungen, das Fenster zu öffnen. Er starrt mich einfach weiter an. Ich wiederhole die Geste, diesmal energischer und er reagiert, schiebt es hoch.
„Wer bist du?“, fragt er.
Seine blonden Haare stehen ihm zerstrubbelt und nass vom Kopf ab, er muss gerade duschen gewesen sein.
„Die einzige, die dich davor bewahren kann, heute Nacht Menschen zu töten“, sage ich.
Der Blick in seinen Augen wird noch ängstlicher. „Was?“
„Du hast einige Veränderungen an dir bemerkt, nicht wahr?“
Er nickt. Ich seufze. Es hätte ja noch immer sein können, dass er nicht verwandelt wurde, dass es ein falscher Alarm war.
„Schärfere Sinne?“, frage ich.
Erneutes Nicken. „Klauen und Fangzähne, wenn du wütend wirst?“
Er wendet beschämt den Blick ab. „Was geschieht mit mir?“
Seine Stimme ist leise und verängstigt. Er tut mir leid. Aber ich kann es nicht ändern, das kann niemand. Es gibt kein Gegenmittel, ansonsten hätten wir es schon längst gefunden.
„Du wurdest vor etwa einem Monat von einem wilden Tier angegriffen und gebissen, nicht wahr? Tja, das war ein Werwolf.“
Er starrt mich an und schüttelt den Kopf. „Bist du völlig durchgeknallt?“
„Leider nein. Aber du wirst es bald sein. Sicher spürst du schon, wie du dich verwandelst, nicht wahr?“
Er antwortet nicht, starrt mich nur mit seinen blauen Augen durchdringend an. Ich seufze erneut.
„Und wie willst du mir helfen?“
„Ich kann dir nicht helfen. Ich kann dich nur töten. Und ich werde es müssen, denn sonst würden Menschen sterben und zwar durch deine Hand. Oder eher Klaue.“
Er schüttelt den Kopf. „Ich würde niemals jemandem weh tun.“
„Du wirst kein Mensch mehr sein, sondern ein Monster, dessen einziger Gedanke es ist, alles Lebendige zu zerreißen. Ich bin hier, um das zu verhindern. Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg, Marc.“
Er starrt mich weiter an, die Angst kehrt wieder in seine Augen zurück. „Bist du sicher?“
Ich nicke traurig. „Es tut mir leid. Ich weiß, du bist ein guter Mensch.“
Ich blicke einen Moment zu Boden, als ich wieder in sein Gesicht schaue, sind seine Augen nicht mehr blau, sondern gelb.
Mein Atem beschleunigt sich und ich greife nach meiner Waffe. Doch mit einer schnellen Bewegung stößt Marc mich von seinem Fensterbrett und ich falle in den Garten hinunter. Mir bleibt für einen Moment die Luft weg. Neben mir höre ich wie etwas auf den Boden prallt, dann erklingt ein lautes Knurren. Reflexartig rolle ich mich zur Seite weg und das keine Sekunde zu früh. Dort, wo eben noch mein Hals war, kratzen nun Marks Klauen über den Boden.
Ich reiße erschrocken die Augen auf und er greift erneut an, bringt mir einige tiefe Kratzer über dem Bauch bei. Ich schreie auf , krieche von der Bestie weg, die vor einer Minute noch ein verängstigter Junge gewesen ist.
Meine Hände zittern, als ich meine Waffe ziehe und auf ihn richte, doch ich kann nicht abdrücken, nicht ehe ich weiß, dass es wirklich notwendig ist. Als ich den erneuten Blick in seine Augen wage, kann ich darin nichts Menschliches mehr erkennen. Er stößt ein lautes Brüllen raus und ich drücke ab.
Wie in Zeitlupe sehe ich die Kugel auf seinen Kopf zufliegen und genau zwischen seinen Augen eindringen. Blut spritzt heraus, als sein Kopf nach hinten gerissen wird und er hintenüber kippt. Dann ist es vorbei.
Marc bewegt sich nicht mehr, seine Augen starren blicklos ins Leere und sein eben noch animalisch verzerrtes Gesicht wird wieder zu einem menschlichen, seine Augen wieder blau.
Ich starre auf seine Leiche hinab und Tränen laufen mir über die Wangen.
Aus dem Haus, in welchem bis vor einer halben Minute noch eine intakte Familie gewohnt hat dringen aufgeregte Stimmen und Schritte bewegen sich auf die Tür zum Garten zu. Ich muss hier weg. Schnell drehe ich mich um und renne los, während noch immer Tränen über meine Wangen laufen. „Es tut mir so leid“, schluchze ich und erreiche endlich die Straße.
Aus dem Garten klingt ein schmerzerfüllter Schrei und ich beschleunige meine Schritte noch.
Mit quietschenden Reifen hält ein Wagen neben mir und ich höre eine Stimme. „Steig ein!“
Ohne lange darüber nachzudenken tue ich es und wir fahren weg.
Ich schaue den Fahrer an, es ist mein Bruder, Christian. „Wie schaffst du das?“, frage ich leise.

Er antwortet nicht, sondern fährt nach einigen hundert Metern an den Rand und nimmt mich einfach in den Arm. Und ich weine weiter, um den Jungen, der seine Freunde und seine Familie geliebt hat, der Obdachlosen geholfen hat und einfach so in ein Monster verwandelt wurde, ohne Grund, und der deswegen sterben musste.

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