Symbol der Schönheit
Es sind die kleinen Dinge, die uns
begreiflich machen, was Schönheit bedeutet und wie schön das Leben
ist.
Für mich war es an diesem Tag eine
Blumenwiese. Gut, nimmt man es genau, ist diese nicht besonders
klein, aber doch in dem Sinne, was die Gesellschaft als schön
bezeichnet: Liebe, Freundschaft, etc. Ja, sie sind schön, aber auch
nur, weil sie sich aus vielen kleinen schönen Dingen zusammensetzen.
Genau genommen tut eine Blumenwiese das
auch, aus vielen kleinen Blumen und Gräsern. Sie ist genau so
vielfältig wie Freundschaft oder Liebe.
Überall sprießen hier bunte Blumen
aus dem Boden, rote Tulpen und Mohnblumen, blaue Vergissmeinnicht,
gelbe Butterblumen, weiße Gänseblümchen und viele mehr. Dazwischen
ist überall Gras und Pflanzen, die in Gärten als Unkraut bezeichnet
werden. Doch hier passen sie perfekt ins Bild, fügen sich ein und
lassen die Blumenwiese noch schöner und natürlicher wirken.
Ich
vermute, dass die bunte Vielfalt der ausschlaggebende Punkt dafür
ist, dass sie mir so gut gefällt, die Natürlichkeit, mit der die
Pflanzen hier wachsen – ohne irgendwelche menschlichen Eingriffe.
Nur zu gern würde ich hineinlaufen,
singen und mich im Kreis drehen, einfach, weil ich glücklich bin,
dass es noch so etwas gibt. Aber dann würde ich einige der Pflanzen
abknicken und töten, was ich nicht will. Die Wiese sollte ihren
unberührten Charakter behalten.
Am liebsten würde ich einen Zaun darum
bauen, um dies zu gewährleisten, aber das wäre ebenfalls ein
menschlicher Eingriff in die Natur und es würde die Natürlichkeit,
die dieser Ort ausstrahlte, zerstören.
Irgendwann werden die Firmen kommen und
dieses kleine Fleckchen Schönheit zerstören und es gibt nichts, was
ich dagegen tun kann. Es wird ein Gebäude gebaut werden, ein Haus
oder einfach einer dieser hässlichen grauen Betonklötze, in denen
sie arbeiten.
Aber ich kann das Bild dieser
wundervollen Blumenwiese in meinem Herzen bewahren. Dort kann ich es
immer schützen und niemand kann es mir wegnehmen, außer vielleicht
die Vergesslichkeit des Alters, die zweifelsohne irgendwann kommen
wird. Doch auch, wenn ich mich nicht an die Wiese erinnern sollte,
werde ich immer wissen, dass es etwas wirklich Schönes auf dieser
Welt gibt, etwas Unberührtes und Natürliches. Denn das ist
Schönheit für mich.
Und während ich einmal um die Wiese
herumlaufe, versuche ich so viel von ihr in mich aufzunehmen, zu
speichern, damit ich die Hoffnung und das Glück, die dies mit sich
bringt nie vergessen werde.
Ich präge mir jede einzelne Blume ein,
die ich erkennen kann, atme tief ein, genieße den Geruch, der mich
an Freiheit erinnert und lausche auf das Summen der Bienen und
Hummeln, das Zirpen einiger vereinzelter Grillen und die leichte
Brise, die weht und die Blumen sanft schwingen lässt.
Jetzt, zehn Jahre später kann ich mich
noch immer genau an diese Wiese erinnern und als ich zu ihr
zurückkehren will, stelle ich fest, dass sich meine Befürchtung
bewahrheitet hat: ein großer Gebäudekomplex ist entstanden, wo
einst die bunte Vielfalt der Pflanzen das Auge eines jeden
Betrachters erfreute. Nun – offensichtlich doch nicht von jedem,
denn sonst wäre sie noch hier.
Enttäuscht und traurig betrachte ich
das Gebäude und gehe langsam darauf zu.
Auch dort, wo zuvor ein kleines
Wäldchen stand, stehen nun Häuser, graue Betonklötze. Nichts ist
mehr von der Natur übrig, die mich vor wenigen Jahren noch so
begeistert hat.
Als ich zu Boden blicke, entdecke ich
plötzlich ein Gänseblümchen, das sich durch die Lücke zwischen
den Steinen gekämpft hat und nun tapfer blüht – in einer Welt, in
der es niemand haben will, in der es als Unkraut gilt und entfernt
wird, wann immer es wagt, in die ordentliche Welt der Menschen
vorzudringen.
Und genau wie die Blumenwiese damals
wird dieses einzelne Gänseblümchen ein Symbol der Schönheit für
mich, das ich in meinem Herzen bewahre.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen